Im Interview: Schumann & Bach
von Marcel / 2022
Foto: roland morgen (rm.) ("TV-Upload morgen")
2002 stieß Josef Bach als neuer Produzent zum Team Rund um De/Vision. Josef, wirkte bereits an den Arbeiten von "Two" als Co-Produzent mit.
Josef wuchs in Trier-Olewig auf. Nach dem Abitur studierte er in Köln Musik auf Lehramt, bevor er das Studium abbrach und nach Berlin zog. Dort lernte er 2001 bei den Aufnahmen zum Album Herzblut der Band Subway to Sally den Musiker Arne Schumann kennen, mit dem er 2003 die Firma Schumann & Bach gründet. 2005 war Bach gemeinsam mit Till Brönner und Schumann in der Kategorie „Beste Filmmusik“ für den Deutschen Filmpreis nominiert.
Das Team Schumann&Bach prägte als Produzenten die längste Zeit von De/Vision und standen für eine äußert erfolgreiche Ära, die über 12 Jahre Bestand haben sollte.
Alben: 6 Feet Underground, Best Of..., Subkutan, Noob, Popgefahr, Rockets + Swords
Wir hatten die Gelegenheit, mit beiden über ihre Arbeit als Produzententeam zu sprechen.
Hallo Josef und Arne, wir danken Euch sehr, dass ihr an unserem Projekt mitwirkt. Gehen wir gleich zu Beginn einmal zurück zu den Anfängen. Könnt Ihr Euch noch erinnern, wann ihr das erste Mal mit Musik in Berührung gekommen seid?
Josef: Ich erinnere mich noch sehr gut an Stunden über Stunden, die ich als Kind zuhause vor dem Radio bei beispielsweise “SWF3 Lollipop” zugebracht habe, immer gespannt darauf, welche Musik als Nächstes spielt. In Zeiten, wo Spotify und co., ja sogar MTV und VIVA noch ganz weit weg waren, fand ich das Radio das Spannendste, was ich mir so vorstellen konnte. Von Roxette bis Michael Jackson, Eurythmics und Genesis, das war für mich spannend!
Arne: Mein Highlight auf NDR2 war damals die Sendung „Popkocher“ mit Gunther Laudahn. Er hat mit seinem Kollegen aktuelle Hits analysiert. Akkorde, Sounds, Produktion. Nach 10 Minuten war man in der Lage, den entsprechenden Titel „ungefähr“ nachzuspielen (Haha)
Ansonsten lief bei uns zu Hause alles zwischen Miles Davis, Paul Simon und Johan Sebastian Bach.
Josef, du hast Arne bei den Aufnahmen zum Album "Herzblut" der Band Subway to Sally 2001 kennen- und als musikalischen Partner schätzen gelernt. 2003 habt ihr eure Firma Schumann & Bach gegründet. Könnt ihr uns etwas über die Anfangszeit erzählen?
Josef: Die Anfangszeit war mega, weil wir beide alle möglichen musikalischen Stile interessant fanden und auch zu der Zeit in Berlin alles Mögliche (und Unmögliche) sehr schnell zu finden war.
Beispielsweise haben wir als einen der ersten gemeinsamen Jobs ein Musical aufgenommen und produziert. Oder einige Jahre später haben wir mit Paul van Dyk an Musik gearbeitet, die für eine Pferde Dressur angedacht war. Das war natürlich eine völlig andere Herausforderung als der Titel, „White Lies“, den wir zur gleichen Zeit zusammen mit Paul produziert haben.
Wie kamen erste Kontakte mit Künstlern und Bands zustande und welche musikalischen Einflüsse fließen in Eure Arbeit mit ein?
Bis heute ist es eine Mischung aus eigenem Interesse und der dadurch resultierenden Kommunikation mit Partnern, meist Verlegern oder Plattenfirmen-Mitarbeitern und Freunden. Sobald man Künstler bzw. Musik entdeckt, mit der man sich emotional verbindet, wird sie natürlich ein Stück weit Inspirationsgeber. Oft ein sehr persönlicher Vorgang. Dabei kann es sein, dass es ein Stück Text ist, der berührend ist oder eine Synth-Melodie oder ein Sound. So wie bei dem jungen Künstler Mattiu (Schweiz), den wir gemeinsam mit Dabu Fantastic gerade produziert haben. Er singt auf rätoromanisch, wir verstehen ihn also eigentlich nicht. Es macht aber nichts, denn vieles transportiert sich über Sound und Emotion.
Habt ihr beim Produzieren eine feste Routine oder leben Eure Werke eher von spontanen Einfällen?
Es gibt tatsächlich keine feste Routine, weil auch alle Projekte, an denen wir arbeiten, in der Regel unterschiedlich sind. Beim Produzieren hängt es sehr stark vom Künstler ab, wie der Prozess abläuft. Da wir mittlerweile auch viel Filmmusik schreiben, ist auch da der Vorgang immer unterschiedlich, nämlich abhängig vom Film und der Regie als auch der Produktion. Das macht die Arbeit natürlich anstrengend, aber auch sehr inspirierend. Immer dasselbe machen könnten wir uns nicht vorstellen.
Fertigt ihr auch Remixe an?
Mittlerweile nur noch sehr selten. Wir hatten zu unserer Anfangszeit sogar ein Synonym für unsere Remix-Projekte namens “Telekommander”. Auf diesem Weg haben wir auch die damals existierende “Mediengruppe-Telekommander” kennengelernt :-) Es ist ein spannendes Thema nach wie vor, vor allem weil in den letzten Jahren immer mehr die Remixer zu Sound-Innovatoren werden. Auch das ist unglaublich inspirierend.
Kommen wir zu ein paar Fragen Eurer De/Vision Ära. Habt ihr noch besondere Erinnerungen an diese Zeit?
Josef: Jede DE/VISION Platte hatte ihre besonderen Vorzeichen und Reize. Für mich persönlich sind die beiden wichtigsten Alben die TWO und die Devolution. Die TWO war für mich ein Emanzipations-Prozess. George (Kaleve), für den ich einige Jahre gearbeitet habe, gab mir die Möglichkeit, mich auszuprobieren und Teile der Platte selbstständig zu erarbeiten. Das war wichtig, und natürlich habe ich dadurch viel gelernt. Die Devolution war die erste komplett eigenverantwortliche Produktion für Arne und mich. Von der Kalkulation bis hin zur Abmischung war Alles neu für uns. Wir haben uns kennengelernt, ausprobiert wie wir menschlich und musikalisch ticken. Toll war das!
Welches ist Euer De/Vision Lieblingsalbum?
Josef: Meine Lieblingsplatte ist die VOID, weil sie eine Mischung aus Rock und Elektronikelementen ist, die es damals nicht so oft gab. Faithless haben sowas auch ausprobiert. Außerdem kann ich sie mir völlig unvoreingenommen anhören, weil ich an der Produktion nicht beteiligt war :-)
Arne: Geht mir genau so. VOID! George Kaleve war und ist ein großartiger Produzent/Mensch und für mich immer noch ein Vorbild. Er hat mir irgendwann zu der VOID Zeit einige Tracks vorgespielt und ich war schwer beeindruck und hatte von nun an ein Ziel: Auch mal an so einer Produktion mitarbeiten. Glücklicherweise hat sich der Traum dann 2 Alben später erfüllt.
Habt Ihr nah am Demo produziert? Wie kam es, dass ihr zuletzt mit als Autoren aufgeführt wart?
Grundsätzlich hat Steffen bei jeder Produktion ein Demo pro Song angefertigt. Bei manchen Tracks haben wir uns sehr nahe am Demo gehalten, bei anderen haben wir uns bewußt weit davon entfernt, natürlich immer in enger Absprache mit Steffen und Thomas. Beispielsweise konnte es sein, dass ein Track als Balade geplant war, die Lyrics uns aber irgendwann woanders hin geführt haben und dadurch ein Stück dabei raus kam, was schneller und rhythmischer wurde.
Der Moment, an dem wir zusätzlich zu der produzentischen Tätigkeit auch Autoren wurden, war fliessend. Letztlich war es Steffen, der fairerweise vorgeschlagen hatte, die Autorenanteile aufzuteilen zu gleichen Teilen, denn wir hatten stückweise immer wieder auch eigene Demo-Ideen angeboten, und einige davon passten super für DE/VISION. Da war es nur folgerichtig, über eine Beteiligung nachzudenken. Allerdings auch ein weitreichender Schritt, der uns nachhaltig beeindruckt hat und den wir den Jungs heute noch hoch anrechnen.
Könnt ihr die Kritik bzgl. der Produktion des letzten Albums Rockets & Swords nachvollziehen?
Auf eine Art ist das Album in seinem Minimalismus anders als andere DE/VISION Alben, was wir zu dem Zeitpunkt wichtig fanden. Wir waren uns einig, einen reduzierteren Ansatz zu wählen. Wie wir finden ist uns das gelungen und das Ergebnis spricht für sich. Grundsätzlich gilt ja immer: Musik kann gefallen, muss aber nicht. Rechtfertigen muss man sie schon garnicht. Auf einem Gorillaz Konzert hat Damon Albarn kürzlich etwas sehr Wahres gesagt: “There are no setbacks in music!”
Verfolgt ihr die Karriere von De/Vision noch?
Grundsätzlich ja. Wir haben nach wie vor sehr netten Kontakt und sprechen zwar selten, aber immer offen und wohlwollend miteinander. Da wir alle sehr eingebunden sind in unsere Projekte fehlt oft die Zeit, sich intensiv auszutauschen, obwohl wir in derselben Stadt wohnen. Schon verrückt.
Nach nunmehr 20 Jahren Zusammenarbeit, gibt es noch Projekte, die Ihr gern verwirklichen würdet oder Künstler, die ihr gerne mal produzieren würdet?
Produzieren und Musikmachen hört ja nie auf. Wenn man sich für Kunst bzw. Kultur interessiert, gibt es ja immer mehr zu lernen. Es wird immer anders, bleibt aber immer spannend. Und ja, wir möchten gerne noch ganz viele Sachen verwirklichen: Jetzt zum Beispiel möchten wir dringend einen vernünftigen Game-Soundtrack schreiben! Eine Sache, die uns schon lange interessiert. Jetzt ist die Zeit, das zu realisieren. Mal sehen, ob es was gibt, wo der Sound passt. Die Demos dazu gibts jedenfalls schon und klingen für uns zumindest super inspirierend :-)
Was wünscht Ihr Euch persönlich und der Musikbranche für die Zukunft?
Faire Auswertungs- und Abrechnungsmodalitäten für Kreative. Es ist und bleibt ein Problem unserer Zeit: Musik ist immer und überall verfügbar und wird daher für selbstverständlich gehalten. Ist sie aber nicht!
Josef, Arne wir danken Euch sehr für das Gespräch und wünschen Euch und euren Familien
nur das Beste und vor allem Gesundheit.
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