Im Interview: George Kaleve

von Marcel / 2022

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Hallo George, wir danken Dir sehr das Du an unserem Projekt mitwirkst. Gehen wir einmal ganz weit zurück zu den Anfängen. Kannst Du Dich noch erinnern wann Du das erste Mal mit Musik in Berührung gekommen bist?

 
Da gab es mehrere Schlüsselerlebnisse. Zum Beispiel war ich als Kind glühender RAUMSCHIFF ENTERPRISE - Fan, was damals immer Samstags Abend ausgestrahlt wurde.
Danach gab es abwechselnd die ZDF HITPARADE mit Dieter Thomas Heck und DISCO mit Ilja Richter. Um nach Enterprise nicht ins Bett gehen zu müssen, hab ich dann meist erfolgreich mit meinen Eltern verhandelt, dies noch anschauen zu dürfen.
Dadurch sind beide Sendungen bis heute in meiner DNA verankert.

 
Ein anderes war der Umzug in ein Pups-Dorf. Die Freunde die ich dort kennen gelernt habe wollten eine Band gründen und da ihnen ein Bassist gefehlt hat, hab ich das halt gemacht.

 
Von da an gab es nix anderes mehr als Musik.

 

Wenn Du an die Anfangszeit zurückdenkst, wie kamen erste Kontakte mit Künstlern und Bands zustande und welche musikalischen Einflüsse fließen in Deine Arbeit mit
ein?

 
In meiner Pubertät hatte ich beschlossen das die Menschheit aus Idioten besteht und mich dann folgerichtig hauptsächlich schwarz gekleidet. Der Soundtrack dazu kam u.a. von ANNE CLARK, DEPECHE MODE, ULTRAVOX … die meine Schwarz-Kollegen und ich kulSsch verehrt haben.
Diese Musik war auch der Grund nach Berlin zu gehen, sobald ich das entscheiden konnte.
Dort habe ich dann GARETH JONES, den Produzenten der DM Alben CONSTRUCTION TIME
AGAIN, SOME GREAT REWARD und BLACK CELEBRATION kennen gelernt und eine Weile für ihn als Assistent und Toningenieur arbeiten können.
Mit der Studio-Arbeit habe ich im Berliner VIELKLANG STUDIO angefangen, was damals sehr
populär in der Indie- und Punk-Szene war.
Bands aus ganz Europa kamen zu uns um ihre PlaLen zu produzieren und wir haben zu
Hochzeiten in drei Schichten häufig auch die Nacht durch gearbeitet.
Dort war ich viele Jahre und hab mich vom Assistenten, zum Toningenieur und dann zum
Produzenten entwickeln können.

 
Hast Du beim Produzieren eine feste RouLne oder leben Deine Werke eher von
spontanen Einfällen?

 
Im Grunde habe ich vor dem Beginn einer ProdukSon das Ergebnis bereits im Kopf und die
Herausforderung ist dann, diese Idee möglichst genau umzusetzen.
Dies ist wie ein Thema, ein roter Faden, dem man im Arbeitsprozess folgt.
Häufig suchen die Künstler und ich dann nach Büchern und Filmen, deren Elemente dazu
passen und die dann alle Beteiligten während der ProdukSonszeit immer wieder lesen bzw
anschauen können.

 
Du hast für De/Vision die Alben „Void“ und „Two“ produziert. Das fünfte Studioalbum „Void“ offenbart gleich mehrere Alleinstellungsmerkmale. So ist es nicht nur das abschließende Werk als Trio (Keyboarder Markus Ganßert sLeg
wenige Monate nach Release aus), auch das experimentelle Soundbild, das beim Vorgänger "Monosex" erste Einsätze fand wurde weiter ausgebaut. "Progressive Pop" lautete das neue Credo und somit flossen erneut rockige Beiträge, Samples, krachende Schlagzeugeinsätze ansta^ sterilem Drumcomputer und allerlei weitere Spielereien in die blankpolierte Elektronik ein. Für mich persönlich ist dieses Album ein Highlight in der Bandgeschichte. Innovative Popmusik, die neue Maßstäbe und Akzente gesetzt hat. Ihr habt 1999 über viele Monate an dem Album gearbeitet,
wenn Du zurückdenkst, hast Du besondere Erinnerungen?

 
siehe 5. :-)

 
War von Beginn an klar in welche Richtung das Album gehen sollte, und wie kam es
schlussendlich zum prägenden Void Style?


Die Entstehung von VOID war sehr schwierig und anstrengend und hat wahrscheinlich auch dazu beigetragen, das Markus nach Abschluss der ProdukSon aus der Band ausgeschieden ist.
Zu der Zeit waren Bands wie WOLFSHEIM mit PETER HEPPNER sehr erfolgreich in den Charts und die Erwartung der Plattenfirma WEA und des Bandmanagements war, diese Platzierungen mit DE/VISION mindest genauso zu erreichen.
Dazu sollten mehrere Chart- bzw VIVA taugliche Singles auf der PlaLe sein und diese sollten als Erstes fertig gestellt werden.

 
Ich hatte als Produzent zum damaligen Zeitpunkt nicht genügend Erfahrung um diese Aufgabe umzusetzen und den damit verbundenen Druck aus dem Studio-Alltag rauszunehmen. Das hat dazu geführt, das wir mehrere Monate sehr verkrampft an Tracks gearbeitet haben, die weder der Band, noch der PlaLenfirma, noch dem Management gefallen haben. Wir hatten den Eindruck auf der Stelle zu treten, worüber alle sehr unglücklich waren.

 
Als klar war das wir feststeckten, haben Band und ich beschlossen, das wir uns daraus nur mit einer radikalen Entscheidung befreien können.
Ich ziehe bis heute meinen Hut vor dem Mut und der Entschlossenheit der Band diesen Weg zu gehen, denn dieser erzeugte, wie sich dann anschließend rausstellte, sehr viel Gegenwind. Auch war bemerkenswert, das der betreuende A&R bei der WEA uns damit gewähren ließ und dafür innerhalb der PlaLenfirma mächSg auf die Hucke bekam.

 
Denn wir entschlossen uns Allen den MiLelfinger zu zeigen und in die genau entgegengesetzte Richtung zu gehen.
Statt 3 Minuten Hit-Singles produzierten wir überlange Soundtracks. StaL gefälliger durchgehender Arrangements, bauten wir Songs mit großer Dynamik und vielen Brüchen. Statt angesagter Synthie-Sounds benutzten wir genrefremde Rock-Gitarren und -Drums.

 
Zusammen ergab das ein lautes: „Jetzt leckt uns doch Alle mal am Arsch“.

 
Der Song „Self-Deception" besticht neben seiner mit nachdenklichen Gitarrenklängen, von einem schweren Pianothema umrahmt bilden das Grundgerüst auf dem sich Steffen Keth zu immer ausladenderen Ebenen der sonoren Enetegie schwingt. Zum Ende hin ertönen fremdsprachlichen Chöre, ich glaube es sind bulgarische. und geleiten das Stück mit fremdarLger Erhabenheit hin zur düster-elektronischen Unendlichkeit. Wie kam es dazu das Du dieses Sample mit in dem Song integriert hast und weißt du was der Text bedeutet?


Gut erkannt :-) in der Tat sind es bulgarische Folklore-Chöre.
Die Idee dazu war inspiriert von dem Animee (!!!) GHOST IN THE SHELL der zusammen mit BLADE RUNNER eine wichtige ästhetische Quelle (siehe 3.) bei dieser Platte war.
Den Pathos bzw die Stimmung der Szene bei Minute 33:00 fand ich sehr passend für diesen Track und dies haben wir dann mit einfließen lassen.


Es folgte das Album „Two“, die Band schrumpUe zum Duo, die Zusammenarbeit mit dem Major Label WEA wurde beendet. Das Album wieder deutlich elektronischer und die Songs zeichnen sich auch wieder durch den De/Vision-typischen Ohrwurmcharakter aus. Was waren die Gründe das dieses Album an Ende sich doch so wesentlich vom Vorgängeralbum unterscheiden sollte?

 
Die Rebellion war mit VOID erfolgt und die Strukturen haLen sich dementsprechend neu geordnet. Nun war die Aufgabe das Neue mit dem Alten zu vereinen.
Dafür sollte bei dieser Platte, die Rock'n'Roll Amtüde von VOID mit für die Band vertrauteren elektronischen Mitteln gezeichnet werden.
Anhaltspunkte kamen von britischen Bands wie TH

E CHEMICAL BROS, UNDERWORLD, SNEAKER PIMPS und besonders auch die Live-Arrangements von DEPECHE MODE.
Bei dieser PlaLe war bereits der Einfluß von Josef „Ioos“ Bach sehr wichtig, der mich offiziell
als Keyboarder unterstützte, aber eigentlich Co-Producer Credits von einigen Songs häLe
bekommen sollen.
Ioos hat ja dann zusammen mit Arne Schumann anschließend die ProdukSon der
kommenden PlaLen übernommen, was mich sehr gefreut hat.


Du hast über die Jahre hinweg mit zahlreichen Künstlern zusammengearbeitet, mit wem hattest Du die schönste und aufregendste Zusammenarbeit?

 
Hahaha, die VOID-PlaLe ist auf jeden Fall mit im Spitzenfeld.


Der Ausbruch des Corona Virus bewegt in diesem Jahr die ganze Welt. Kontaktsperren, Unternehmen haben ihre Arbeit eingestellt, Geschäfte sind geschlossen. Auch die Musikindustrie hat hart darunter zu leiden. Wie erlebst Du die Momentane Situattion?


Ich unterscheide hier sehr zwischen meiner persönlichen SituaSon und der meiner Umwelt.
Denn um mich herum sehe ich viele kleine und große Dramen, die durch die wirtschaftliche
Ungewissheit und die einschränkenden Auflagen entstanden sind. Für alle Beteiligten
wünsche ich eine schnelle und gute Veränderung ihrer SituaSon.
Ich selber fand den Lockdown großarSg. Die Entschleunigung meines Alltags, das
Verschwinden von alltäglichen Anforderungen und die sehr geringe Anzahl der
Sozialkontakte haben mir Platz gegeben, mich auf WichSges zu besinnen und zu
konzentrieren.
Ich habe meinen Alltag und meine Arbeit überprüfen und neu strukturieren können und
freue mich sehr über die Ergebnisse. Herausforderung ist nun, diese auch weiterhin zu
behalten und nicht wieder in alte Muster zu geraten.


Was wünschst Du dir persönlich und für die Musikbranche für die Zukunft?


Der Musikbranche wünsche ich, das sie auoört von alten Geld-Zeiten zu träumen und wieder Forschungslabor für neue und aufregende Lebensformen wird.

George wir danken Dir sehr für das Gespräch, und wünschen Dir und deiner Familie nur das Beste und vor allem Gesundheit.